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Veröffentlicht 19. Februar 2021

Der Hausspatz – ein verkannter Allerweltsvogel

  • Text und Bild: Ernst Hofmann
  • Urheber-/Nutzungsrechte: Link öffnen

Der Haussperling – besser bekannt als Spatz – gehört zu den vertrautesten Singvögeln. Er ist dem Menschen fast weltweit in Dörfer und Städte gefolgt. Dort lebt er gern in Gesellschaft seinesgleichen und brütet bevorzugt in Gebäudenischen. Sein typisches Tschilpen ist uns sicher noch allen bekannt.

Das Federkleid der Männchen ist kontrastreicher gemustert als das der Weibchen: Besonders markant sind der schwarze Kehlfleck und Brustlatz, der kastanienbraune Nacken und der aschgraue Scheitel. Je grösser der Brustlatz ist, desto dominanter ist das Männchen. Die weiblichen Tiere sind dagegen matt-bräunlich gefärbt und eher unscheinbar. Sie haben einen graubraunen Kopf und besitzen hinter dem Auge einen hellen Streifen. Die Jungvögel sind den Weibchen ähnlich, ihr Gefieder ist etwas heller gefärbt.

Als sogenannte Kulturfolger haben sie sich mit ihrer Lebensweise perfekt an die des Menschen angepasst. Optimale Lebensräume für Spatzen sind Dörfer und Stadtränder mit Landwirtschaft, offene Tierhaltungen, Gärten und Parks. Aber auch im Zentrum von grossen Städten kommen sie vor, wenn es genug Nahrung und Nistmöglichkeiten gibt. Spatzen sind standorttreu und bewegen sich meist in einem Radius von einigen hundert Metern bis zu wenigen Kilometern.

Spatzen sind tagaktiv und sehr gesellige Tiere, die in kleinen Trupps zusammenleben und ihren Tagesablauf stark aufeinander abgestimmt haben. Alle Aktivitäten werden gemeinsam durchgeführt: der Gesang, die Futtersuche und Jungenaufzucht sowie das Baden. Selbst zum Schlafen sammelt sich der Trupp gemeinsam in einem Versteck zum «Chorgesang». Das Leben in der Gruppe hat entscheidende Vorteile: Es bietet Schutz, denn viele Augen erkennen Gefahren schneller als zwei, und bietet Gelegenheit für gegenseitigen Erfahrungsaustausch. Auch die Jungvögel tun sich aus diesem Grund zusammen, wenn die Eltern mit der nächsten Brut beginnen.

Spatzen nisten am liebsten in Nischen und Höhlen von Gebäuden und zwar in hoher Dichte neben- und übereinander – Einflugloch an Einflugloch. Sie sind bei der geeigneten Nistplatzwahl aber nicht wählerisch: Ein kleiner Hohlraum hinter einer Spalte genügt.

Vor der Brutzeit versuchen die Männchen einen Nistplatz zu ergattern, um ihn einer Angebeteten vorweisen zu können. Wer nicht glücklicher Besitzer eines Nistplatzes ist, hat bei einem heiratswilligen Weibchen keine Chancen. Schon im Spätwinter geht das kollektive Balztheater los. Spatzen lieben es auch dann gesellig, wenn es darum geht, wer wen als Partner oder Partnerin bekommen soll. Die Spatzengesellschaft versammelt sich dazu am liebsten im Strauchdickicht. Erst eine Art Heiratsmarkt mit einigen Bewerbern bringt Spatzen in Stimmung. Konkurrenz belebt das Geschäft und die Lust. Da wird getschilpt und geschimpft, geplustert und geflattert, was Schnäbel und Flügel hergeben. In wilden Verfolgungsjagten wird ermittelt, welches Männchen das kräftigste ist, wer sich am besten durchsetzen kann. Der Gewinner steht in der Gunst der Weibchen am höchsten. Eine Art Mister-Wahl. Aber auch die Zweit- und Drittplatzierten, ja selbst Nachrangige, kriegen eine Partnerin ab, so lange weitere unverheiratete Weibchen vorhanden sind.

Der Haussperling führt eine monogame Ehe und das für ein Leben lang, allerdings mit gelegentlichen Seitensprüngen. Gebrütet wird zwischen März und August und meist gibt es zwei bis sogar vier Bruten im Jahr. Beide Partner brüten abwechselnd und die Jungen werden gemeinsam bis zur Selbständigkeit betreut. Wenn es zum Verlust der Eltern kommt, unterstützen die Nachbarspatzen die Jungen oft. Viele Spatzen finden keinen Nistplatz und auch keinen Partner und dienen den Paaren als Helfer. Damit erhöht sich die Chance, die Rolle als Partner zu übernehmen, wenn dieser gestorben ist.

Der Spatz hat bei uns Menschen seit dem Altertum einen schlechten Ruf. Viele Schimpfwörter und Redensarten in unserer Umgangssprache nehmen Bezug auf den Spatz und sind abwertend, wie «Dreckspatz», «Spatzenhirn». Seine Gewöhnlichkeit aber auch seine aufdringliche Dreistigkeit machte den Spatz im Laufe der Jahrhunderte zum geeigneten Sündenbock für allerlei Unarten, zum Ventil und zum Sinnbild für alle möglichen menschlichen Laster und Schwächen. Vieles, was dem Spatz nachgesagt wird, hat jedoch nichts mit dem Vogel selber zu tun.


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