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Veröffentlicht 04. September 2015

Das Gras im Hals

Heute schreiben wir über einen «klassischen Fall» bei Katzen, der uns in der tierärztlichen Praxis nicht selten beschäftigt: Die Anamnese – so nennt man in der medizinischen Sprache die «Vorgeschichte» – lautet am Telefon jeweils ganz unterschiedlich: Mal atmet die Katze komisch, mal frisst sie schlecht oder mit abnormen Bewegungen und Geräuschen, oder sie erbricht, hustet, oder niest.

Dieses Mal machte sich die Besitzerin von Mara aber Sorgen, dass sie womöglich einen Autounfall mit inneren Blutungen habe, sie sei so «duuch» und fresse nicht. Glücklicherweise konnten wir in der Praxis aber schnell Entwarnung geben, denn die 8-jährige Kätzin machte einen ganz munteren Eindruck. Als wir ihr aber den Hals abtasteten, reagierte sie sehr empfindlich mit Würge- und Brechreiz. Nach einer Beruhigungsspritze konnten wir dann Maras Rachen genau untersuchen und fanden, was wir vermuteten: Weit hinten guckte nur noch die kleine grüne Spitze eines Grashalms hinter dem weichen Gaumen hervor. Vorsichtig konnten wir das 8cm lange Gras ganz allmählich und vorsichtig aus dem Nasenrachen rausziehen, ohne zu verletzen. Denn die spitzen Widerhaken am Gras, die wir unter dem Mikroskop eindrücklich demonstrieren konnten, machen das Zurückziehen des Grases manchmal fast unmöglich.

Oft fressen Katzen Gras, um beim darauf folgenden Erbrechen unverdauliche Maus- und Fellresten aus dem Magen zu befördern. Wenn ein Gras mit Widerhaken dann beim Erbrechen in den Nasenrachen gelangt, schiebt es sich immer weiter nach vorne, setzt sich mit den Widerhaken fest, behindert beim Schlucken oder reizt die Nasenschleimhaut. Wenn wir mal trotz grossem Verdacht kein Gras finden, hat es sich vielleicht schon weiter nach vorne gearbeitet und erscheint dann Tage bis Wochen später an der Nasenöffnung. So erging es auch «Honey», dem 2-jährigen Kater, der auch so komisch schluckte. Kaum aus der Transportkiste raus, hatte er einen heftigen Niesanfall, worauf die grüne Spitze des «Corpus Delicti» beim Nasenloch sichtbar wurde und ganz einfach (denn in diesem Fall nicht in Gegenrichtung der Widerhaken) entfernt werden konnte. Diese abendliche Konsultation hatte sich mehr als gelohnt, bei kleinstem Aufwand hundertprozentiger Erfolg.

 

Dr. med. vet. Patrick Curschellas, Kleintierpraxis Dr. S. Küng AG, Beromünster
www.kleintierpraxiskueng.ch


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